Montag, 23. Februar 2015
Wie war das die letzten Wochen noch mal?
Ich sehnte mich nach sauberem Warmwasser? Nun ja, ich hätte froh sein sollen,
überhaupt Wasser zu haben, denn die vergangenen zwei Tage kam kein Tropfen
Wasser aus der Leitung und zu allem Überfluss streikte daraufhin auch der
Dorfbrunnen. Glücklicherweise hatte ich eine Flasche Wasser als Vorrat, denn,
obwohl man sich -im Gegensatz zu den Einwohnern- aufgrund der derzeitigen
Regenzeit auf die tagtägliche Himmeldusche rund um Mittag verlassen kann,
setzte auch diese seltsamerweise gestern und heute aus. Das einzig Gute an
dieser Sache ist, dass in der Nacht auf heute zum ersten Mal in der „Sunrise
Children’s Home“ Geschichte kein einziges Kind ins Bett machte.
Dienstag, 24. Februar 2015
Unsere Angestellten haben sich die letzten
Tage wieder einmal selbst übertroffen. Seit exakt zwei Wochen versuchen wir,
dass unserer Hennen zu brüten beginnen, da wir Küken heranwachsen lassen wollen
und im Zuge dessen übersiedelten wir zwei Hühner, sowie unseren Hahn in einen
extra neu angefertigten Stall. Seitdem warteten wir jeden Tag gespannt, ob die
Glucken ein Ei legten, doch vergeblich. Und seit heute wissen wir auch weshalb:
Denn die Angestellten haben seit zwei Wochen jeden Tag jeweils die beiden Eier,
die tagtäglich von den Hennen gelegt wurden, rausgenommen. Hab ich schon
erwähnt, dass unsere werten Angestellten so gut wie immer ohne Hirn handeln???
Das ist zum aus-der-Haut-fahren! Tja, ich war auf der Suche nach einem
Abenteuer- hier hab ich es.
Mittwoch, 25. Februar 2015
Heute machte ich mir zur Feier des Tages
(vor genau 24 Jahren wurde ich gezeugt- an dieser Stelle: danke Mama &
Papa, you did a great job ;-))) Palatschinken, worauf ich mich bereits eine
ganze Woche lang irrsinnig freute. Ich bereitete ganz viel Teig vor, damit auch
die drei Angestellten des Hauses mitnaschen konnten- was sich im Nachhinein als
großer Fehler entpuppte. Ich verwendete Maismehl (das einzige Mehl das wir
haben), sowie eine megamäßig zerkratzte Pfanne (wir haben keine anderen) und
deswegen glichen die Palatschinken vom Aussehen her eher einem Kaiserschmarren.
Doch egal, voller Vorfreude stopfte ich mir einen großen Brocken mit Zucker
(hier gibt’s keine Marmelade) in mein Mäulchen und es schmeckte entsetzlich,
genauer gesagt schmeckte es ein kleines bisschen nach Ugali (dafür verwendet
man auch Maismehl). Ich streute vier riesige Löffel Zucker und ganz viele
Bananen- und Mangostücke über die kaiserschmarrnähnlichen Palatschinken, in der
Hoffnung, dass sie dadurch zumindest einigermaßen genießbar werden. Falsch
gedacht. Es schmeckte immer noch scheußlich. Ich war verzweifelt, was sollte
ich mit dem Rest machen? Ich konnte ihn unmöglich wegwerfen, inmitten eines
dritte Welt Landes, wo tagtäglich ums Überleben gekämpft wurde. Deswegen grub
ich soeben in einer Nacht- und Nebelaktion ein Loch und verscharrte still und
heimlich mein geglaubtes Festessen. Rest in Peace, schnief!
Donnerstag, 26. Februar 2015
Sehnsüchtig fiebere ich jedem Donnerstag entgegen,
an dem ich zumindest für eine Weile in Njombe, der Stadt, in der wir einmal pro
Woche unsere Lebensmitteleinkäufe tätigen, die Möglichkeit habe, aus dem
ärmlichen, tristen Tansania in die virtuelle Welt zu entfliehen, um Kontakt mit
meinen Liebsten zu haben. Die Taxifahrten in das etwa 30 Kilometer entfernte
Städtchen sind nach wie vor Abenteuer pur, heute durfte ich beispielsweise
zwischen dem Fahrer und der Beifahrerin, die zwei Kinder am Schoß hatte,
sitzen, da sich ganze 14 Menschen im Auto, beziehungsweise im Kofferraum befanden,
wobei ich zwischen meinen Beinen den Schaltknüppel hatte. Die Scheiben laufen
an, denn würden wir die Fenster öffnen, wären wir komplett voller Schlamm, da
die Straßen aufgrund der derzeit vorherrschenden Regenzeit eher einem Sumpf
gleichen. Nachdem ich in Njombe Dinge wie Maismehl, Mangos und Gemüse für die
Kids kaufe, setzte ich mich immer in ein kleines Restaurant, wo es zwar mehr
schlechtes, als rechtes WLAN gibt, doch immerhin, und bestelle die Speisen der
Karte rauf und runter und runter und rauf, um das Internet zumindest während
den dutzenden Stromausfall-Pausen nutzen zu können. Immer dabei ein Wörterbuch,
denn hier werden unter anderem auch Katzen, Hunde und Meerschweinchen serviert,
worauf ich ehrlichgesagt nicht besonders Lust habe. Ich beobachte die
Restaurantbesucher, die genüsslich ihre Riesenportion Ugali in ihren Fingern
rollen. Die Coolsten tragen Pullis mit dem Aufdruck „Adidass“ (man beachte das
zweite S) und offensichtlich dürfte es hier in sein, auf einem Grashalm
herumzukauen, was auf jeden Fall gesundheitsbewusster und billiger ist, als
Zigaretten zu rauchen. Die Menschen aus Njombe kennen mich schon alle und
obwohl ich viele von ihnen noch nie gesehen habe, rufen sie mir „Karibu
Carola“, „Mambo Corinne“ oder bloß „Kamwene Sister“ zu und grüßen mich, indem
sie eine gefühlte Ewigkeit jeden einzelnen Finger meiner rechten Hand wuzeln,
beziehungsweise die Kinder betatschen einem die Schläfen und Brüste. Wenn eine
Frau ein Baby bekommt, ändert sich deren Name übrigens in „Mama + der Name des
Erstgeborenen“. Wenn mir fremde Kinder begegnen, laufen diese entweder
aufgeregt zu ihrer Mutter, um ihr zu berichten, dass sie eine Weiße gesehen
haben, oder aber sie fangen lauthals zu weinen an, da sie Angst vor Weißen
haben. Ach ja und für den Großteil der Menschen ist es unverständlich, dass
Courtney (eine Amerikanerin, die hier lebt) und ich nicht verwandt sind, obwohl
wir doch beide weiß sind.
Freitag, 27. Februar 2015
Seit ein paar Tagen haben wir im Kuh- und
Hühnerstall eine Ameisenplage und mit jeder Handvoll Gift, die ich ausstreue,
spüre ich das Karma, dass ich mir in den letzten Wochen so hart erarbeitet
habe, regelrecht aus meiner Aura entschwinden.
Samstag, 28. Februar 2015
Gestern fragte ich eins unserer
Waisenkinder, was sein Lieblingsessen sei, woraufhin es in Englisch antwortete
„Pizza, aber ich hab’s noch nie gegessen“.
Sonntag, 29. Februar 2015
Die warme Morgensonne weckt mich. In der
Küche herrscht hektisches Treiben, untermalt von kindlichem Gemurmel. Der Geruch
von frisch gebackenen Ciabatte liegt in der Luft- eine willkommene Abwechslung
zu meinem tagtäglichen Frühstück, das aus einer halben, selbstgeernteten
Avocado, einer Tasse selbstgemolkenen Milch, einer Scheibe selbstgebackenen
Brot, einem selbstgelegten (nun, zumindest von unseren Hühnern) Ei und einer
selbstgepflückten Banane besteht. Die Kinder verschwinden in ihren
Sonntagskleidern, die sich zu ihren normalen Klamotten bloß darin
unterscheiden, indem sie ein paar weniger Flecken, sowie weniger Löcher
aufweisen, in die knapp vier Stunden andauernde Kirche. Ich nutze die Gunst der
Stunde und genieße mein Frühstück, während ich meine Gedanken aufschreibe, in
der Hoffnung, dadurch nicht nur nicht zu vergessen, sondern auch, nicht in
Vergessenheit zu geraten. Ich habe Angst davor. Die Zeit steht hier still. Ich
lebe in einer Blase, 150 Jahre in der Vergangenheit. Abgeschieden. Bloß ich.
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