An meine schwachen Bandscheiben, ihr, die zugelassen habt, die
Flüssigkeit zwischen euch austreten zu lassen, welche nun seit beinahe neun
Monaten auf einen meiner Nerven im Fuß drückt. An meinen verhassten Schmerz,
du, der mir seit 263 Tagen mein Leben zu Hölle macht. Du verhasster,
verdammter, scheußlicher Schmerz. Eine nettere Begrüßungsfloskel hast du dir
nun wirklich nicht verdient.
Du nimmst Besitz von mir, von meinem Körper, von meinen Gedanken, von
meinem ganzen Ich. Ich weiß nicht, was du damit erreichen willst, verstehe es
nicht, warum ausgerechnet ich? Denke ständig an dich. Vermutlich gab es die
letzten neun Monate keine Minute, an der du nicht Mittelpunkt meiner Gedanken
warst.
Einzig in meinen Träumen lässt du mich los. Träume, dass ich
Balletttänzerin bin, schwerelos über den Boden gleite. Träume, dass ich am
Trampolin einen Salto mache, nahezu durch die Lüfte fliege. Träume, dass ich
ein Rad schlage. Am Strand, im Sonnenuntergang, ganz ohne Schmerzen. Fühle mich
frei und unbeschwert, nahezu fremd. Bis ich aufwache, mich schweißgebadet vor
Schmerzen im Bett winde, mich die Realität mitten in der
Nacht einholt.
Hab schon alles versucht. Hab dich ignoriert und mich auf dich
konzentriert. Mit Rosenwasser einbalsamiert. Mit blanken Fäusten kraftvoll auf
dich eingeschlagen.
Du hast mich vergessen lassen wie es ist, ohne Schmerzen aufzuwachen.
Ich bin so wütend, zornig, verärgert. Auf dich, auf die Ärzte, auf die ganze
Welt. In mir brodelt ein mir fremdes Gefühlschaos, mit dem ich nichts
anzufangen weiß. Ich habe Angst.
Setze einen Fuß vor den anderen, bemüht, mein Gesicht nicht zu
verkrampfen. Versuche, mir nichts anmerken zu lassen, wenn mein Fuß wieder einmal
für eine Sekunde nachgibt, ich beinahe stolpere. Schaue beschämt nach links und
rechts, vergewissere mich, dass mich niemand beobachtet.
Das erste Mal in meinem Leben werde ich bemitleidet. Ich hasse es, oh
wie ich es hasse. Sag es geht schon, es wird schon, es ist halb so schlimm.
Würde am liebsten stampfen, schreien, mein Gegenüber packen und durchrütteln.
Stattdessen stehe ich da, bohre meine Fingernägel in meine Handfläche, grabe
mit meinen Schuhen eine kleine Mulde in die Erde, atme tief durch, lächle und
wiederhole, dass alles in Ordnung sei. Denke an Menschen, die an HIV, Krebs
oder Lepra leiden, Menschen die es viel, viel schlimmer erwischt hat als mich.
Nimm dich nicht so wichtig, mein zum tausendsten Male innerlich wiederholtes
Mantra.
Wenn ich alleine bin und ich an nichts anderes mehr denken kann als an
dich, schlage ich auf dich ein, bis das Pochen meiner Schläge schmerzhafter ist
als du selbst. Dann glaube ich zumindest für wenige Sekunden, stärker zu sein
als du. Habe zumindest für einen Augenblick gewonnen, aber du gibst mir kurz
darauf wieder zu verstehen, dass du noch da bist, mich noch nicht loslässt.
Willst? Kannst? Warum ich? Fragen ohne Antworten.
Du bist ein unerwünschter Gast und ich bitte dich, rate dir, flehe
dich an, aus meinem Körper zu verschwinden. Sofort. Und für immer.
Wunderschön geschrieben - Respekt! Und noch mehr Respekt wie tapfer du bist - ich weiß wie das ist und drücke dir die Daumen, dass das Arschgesicht von Schmerz endlich abhaut!
AntwortenLöschenSehr lieb von dir, danke madeleine! ich hab heute genau in dem moment erfahren, dass ich in 2-4 wochen operiert werde, als du hier kommentiert hast. Danke dir, ich freu mich schon unglaublich wenn ich endlich wieder schmerzfrei bin :)
LöschenMann, wie ich das kenne - habe zwar Gott sei Dank noch keinen Bandscheibenvorfall erleiden müssen, abermit meiner "wind-"schiefen Wirbelsäule wird das auch nie ganz ausgeschlossen sein Deswegen habe ich lange Zeit ein Korsett tragen müssen - das ich gehasst habe und das mir Tag täglich die Luft geraubt hat ... auch wenn man sich daran gewöhnt - es war immer dieser ständige Schmerz mit von der Partie ...
AntwortenLöschenWirklich toll wie du alles macht trotz des ständigen Schmerzes - viel Glück bei deiner Operation und auf dass du bald wieder schmerzfrei bist!
Alles Liebe, Theresa
von theriswardrobe.com
Liebe Theresa,
Löschenich habe die Operation bereits hinter mir und jetzt, 9 Monate später, geht es mir hervorragend! Bin so unheimlich glücklich ;-) Ich hoffe für dich, dass du das mit deiner Wirbelsäule auch in den Griff kriegst.
Bussi, Carina