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an meinen verdammten, verhassten schmerz

24.01.2014



An meine schwachen Bandscheiben, ihr, die zugelassen habt, die Flüssigkeit zwischen euch austreten zu lassen, welche nun seit beinahe neun Monaten auf einen meiner Nerven im Fuß drückt. An meinen verhassten Schmerz, du, der mir seit 263 Tagen mein Leben zu Hölle macht. Du verhasster, verdammter, scheußlicher Schmerz. Eine nettere Begrüßungsfloskel hast du dir nun wirklich nicht verdient.

Du nimmst Besitz von mir, von meinem Körper, von meinen Gedanken, von meinem ganzen Ich. Ich weiß nicht, was du damit erreichen willst, verstehe es nicht, warum ausgerechnet ich? Denke ständig an dich. Vermutlich gab es die letzten neun Monate keine Minute, an der du nicht Mittelpunkt meiner Gedanken warst. 

Einzig in meinen Träumen lässt du mich los. Träume, dass ich Balletttänzerin bin, schwerelos über den Boden gleite. Träume, dass ich am Trampolin einen Salto mache, nahezu durch die Lüfte fliege. Träume, dass ich ein Rad schlage. Am Strand, im Sonnenuntergang, ganz ohne Schmerzen. Fühle mich frei und unbeschwert, nahezu fremd. Bis ich aufwache, mich schweißgebadet vor Schmerzen im Bett winde, mich die Realität mitten in der Nacht einholt.

Hab schon alles versucht. Hab dich ignoriert und mich auf dich konzentriert. Mit Rosenwasser einbalsamiert. Mit blanken Fäusten kraftvoll auf dich eingeschlagen.

Du hast mich vergessen lassen wie es ist, ohne Schmerzen aufzuwachen. Ich bin so wütend, zornig, verärgert. Auf dich, auf die Ärzte, auf die ganze Welt. In mir brodelt ein mir fremdes Gefühlschaos, mit dem ich nichts anzufangen weiß. Ich habe Angst.

Setze einen Fuß vor den anderen, bemüht, mein Gesicht nicht zu verkrampfen. Versuche, mir nichts anmerken zu lassen, wenn mein Fuß wieder einmal für eine Sekunde nachgibt, ich beinahe stolpere. Schaue beschämt nach links und rechts, vergewissere mich, dass mich niemand beobachtet.

Das erste Mal in meinem Leben werde ich bemitleidet. Ich hasse es, oh wie ich es hasse. Sag es geht schon, es wird schon, es ist halb so schlimm. Würde am liebsten stampfen, schreien, mein Gegenüber packen und durchrütteln. Stattdessen stehe ich da, bohre meine Fingernägel in meine Handfläche, grabe mit meinen Schuhen eine kleine Mulde in die Erde, atme tief durch, lächle und wiederhole, dass alles in Ordnung sei. Denke an Menschen, die an HIV, Krebs oder Lepra leiden, Menschen die es viel, viel schlimmer erwischt hat als mich. Nimm dich nicht so wichtig, mein zum tausendsten Male innerlich wiederholtes Mantra.

Wenn ich alleine bin und ich an nichts anderes mehr denken kann als an dich, schlage ich auf dich ein, bis das Pochen meiner Schläge schmerzhafter ist als du selbst. Dann glaube ich zumindest für wenige Sekunden, stärker zu sein als du. Habe zumindest für einen Augenblick gewonnen, aber du gibst mir kurz darauf wieder zu verstehen, dass du noch da bist, mich noch nicht loslässt. Willst? Kannst? Warum ich? Fragen ohne Antworten.


Du bist ein unerwünschter Gast und ich bitte dich, rate dir, flehe dich an, aus meinem Körper zu verschwinden. Sofort. Und für immer.

4 Kommentare:

  1. Wunderschön geschrieben - Respekt! Und noch mehr Respekt wie tapfer du bist - ich weiß wie das ist und drücke dir die Daumen, dass das Arschgesicht von Schmerz endlich abhaut!

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    1. Sehr lieb von dir, danke madeleine! ich hab heute genau in dem moment erfahren, dass ich in 2-4 wochen operiert werde, als du hier kommentiert hast. Danke dir, ich freu mich schon unglaublich wenn ich endlich wieder schmerzfrei bin :)

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  2. Mann, wie ich das kenne - habe zwar Gott sei Dank noch keinen Bandscheibenvorfall erleiden müssen, abermit meiner "wind-"schiefen Wirbelsäule wird das auch nie ganz ausgeschlossen sein Deswegen habe ich lange Zeit ein Korsett tragen müssen - das ich gehasst habe und das mir Tag täglich die Luft geraubt hat ... auch wenn man sich daran gewöhnt - es war immer dieser ständige Schmerz mit von der Partie ...

    Wirklich toll wie du alles macht trotz des ständigen Schmerzes - viel Glück bei deiner Operation und auf dass du bald wieder schmerzfrei bist!

    Alles Liebe, Theresa
    von theriswardrobe.com

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    1. Liebe Theresa,
      ich habe die Operation bereits hinter mir und jetzt, 9 Monate später, geht es mir hervorragend! Bin so unheimlich glücklich ;-) Ich hoffe für dich, dass du das mit deiner Wirbelsäule auch in den Griff kriegst.
      Bussi, Carina

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